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Carl-August Seibel: „Wir arbeiten mit Hochdruck“

Carl-August Seibel, Unternehmer aus der Pfalz und Vorsitzender des Bundesverbands der Schuh- und Lederwarenindustrie, äußert sich zu aktuellen Themen rund um die Corona-Krise.

Als Unternehmer und HDS/L-Vorsitzender erklärt Carl-August Seibel seine Sicht auf die Corona-Krise. „Der stationäre Handel ist durch die Geschäftsschließungen natürlich massiv von der Corona Krise betroffen. Die Kunden bleiben aus. Die Nachfrage, mit der gerade jetzt zum Saisonstart und bei der guten Wetterlage Umsätze erzielt worden wären, ist quasi nicht vorhanden. Auch die zum Teil sehr kreativen Ideen der Händler, ich denke da z.B. an Instagram-Aktionen oder Lieferservice, können diesen Ausfall nicht ersetzen. Leider.“

Erste Maßnahmen des HDS/L zu Beginn der Krise

Mit Blick auf die derzeitig besonders wichtigen Aufgaben des HDS/L erklärt der Pfälzer Unternehmer: „Dabei geht es in erster Linie um verifizierte Information. In unseren Rundschreiben haben wir die Hersteller über die Auslegung der neuen Anordnungen informiert. Welche Regelungen und Gesetze gelten. Die Telefone standen nicht still. Zugleich galt es aber auch an die Gesundheit der Mitarbeiter zu denken und die Empfehlungen der Regierung zu befolgen, soziale Kontakte zu vermeiden. Unser Verband war sehr gut vorbereitet und hatte schon Wochen vorher für alle Mitarbeiter Home Office Arbeitsplätze eingerichtet. Außerdem hatte der HDS/L schon frühzeitig einen Plan in der Tasche, wie zunächst bis Ostern die Geschäftsstellen in Berlin, Offenbach und Pirmasens kontinuierlich erreichbar und besetzt, das heißt alle Mitarbeiter zu erreichen sind.“

Die Unternehmen hätten derzeit einen hohen Beratungsbedarf, etwa zu Themen wie Kurzarbeit. „Das Thema Kurzarbeit hatte ja seit den so genannten „Nullerjahren“ keine Rolle mehr gespielt. Aber jetzt haben wir die Situation, dass fast alle Unternehmen gleichzeitig das Mittel der Kurzarbeit nutzen müssen. Doch damit nicht genug: Auch Fragen zu Urlaub, Überstundenabbau oder zu Fehlzeiten durch Schließung der Kita-Plätze müssen beantwortet und Lösungen gefunden werden.“

Auch juristische Fragen seien für viele Unternehmen derzeit von besonderer Relevanz, so Seibel: „Ich denke da an erster Stelle an die Geschäftsbeziehungen mit unseren Handelspartnern. Im Zusammenhang mit den Geschäftsschließungen mussten wir uns beispielsweise intensiv mit Themen wie Stornos, Lieferstopps und Valutaforderungen beschäftigen. Der HDS/L hat hierzu wertvolle Rechtsberatung gegeben und die Mitglieder kurzfristig mit Rechtsgutachten versorgt.“

Lobbyarbeit in Berlin

Auch Lobbyarbeit gehört zu den Aufgaben des Verbandes. Mit einer Vielzahl an Initiativen, die momentan in Berlin versuchen Einfluss auf die politischen Entscheider zu nehmen, sei auch der HDSL aktiv beteiligt. „Hier gilt die Task Force des ZGV mit Günter Althaus an der Spitze zu nennen, der Aufruf der ANWR für ein Globaldarlehen an die Verbundgruppe oder auch der Vorstoß des Dachverbandes des HDS/L, Textil+Mode, der mit seiner Präsidentin Ingeborg Neumann an der Spitze einen direkten Draht zu vielen Ministerien hat. Ziel all diesen Handelns ist, schnell und unbürokratisch klare Hilfen für den Mittelstand in Form von Direktzuschüssen, KfW-Darlehen und schnellen Vollbürgschaften des Bundes zu bekommen.“

Es habe auch schon erste Reaktionen der Politik gegeben. „Schon in der ersten Woche der Corona Krise haben wir in einem Brief an die Bundesminister Altmaier und Scholz um die dringende Unterstützung der ZR-Banken gebeten. Für uns war schon früh erkennbar, dass KfW Programme nicht ausreichen. Vor allem kleinere Schuh- und Lederwarenhersteller kommen über die Hausbanken nicht an die Programme, deshalb haben wir schon am 20. März Zuschüsse und Direktbeihilfen gefordert. Ingeborg Neumann, die Präsidentin von Textil+Mode hat das Gespräch mit Staatssekretär Dr. Ulrich Nußbaum aufgenommen und die entsprechenden Forderungen gestellt. An diesem Wochenende hat die EU grünes Licht für solche Instrumente durch die Mitgliedsstaaten bis 800.000 Euro zugestimmt. Das ist ein erster, großer Erfolg. Und am Montag hat die Bundesregierung ein entsprechendes Programm auf nationaler Ebene aufgelegt.”

Initiativen mit dem Handel

Gemeinsam mit dem BDSE und den Verbundgruppen arbeite der Schuhhersteller-Verband derzeit an einem speziellen Programm für die Händler. Dabei definiere jede Marke bzw. jeder Hersteller die durchlaufenden Artikel/Modelle aus der aktuellen, jetzt gelieferten Frühjahr/Sommer Kollektion für die nächste Saison Frühjahr/Sommer 2021. Diese Info soll in den nächsten Wochen direkt oder über die Verbundgruppen an die Händler übermittelt werden. Dies erlaube es dem Handel, diese Schuhe ggfs. gleich für die nächste Saison zu verplanen und den Warendruck für die durch die Geschäftsschließungen verkürzte Verkaufszeit zu senken. „Die Finanzierung der eingelagerten Ware muss dann über KFW Kredite und/oder die Verbundgruppen gewährleistet sein. Die Industrie wird ebenfalls die für die Nachorder vorgesehene Ware einlagern und für die Saison Frühjahr/Sommer 2021 reservieren.“

Längere Saison statt Rabattschlachten

Wenn die Geschäfte wieder öffnen – dann mitten in der F/S-Saison –, fürchten viele eine massive Rabattschlacht. Seibel spricht sich dafür aus, den Saisonverlauf weiter nach hinten zu schieben: „Es wäre natürlich vorteilhaft, wenn die reguläre Verkaufssaison auf die Monate Juni und Juli erweitert würde, um dem Handel die Möglichkeit zu geben, über die Sommermonate regulär noch möglichst viel Ware verkaufen zu können. So könnte auch der lang diskutierte Schritt, die Verkaufszeit endlich den Wetterbedingungen und der Jahreszeit anzupassen, in die Realität umgesetzt werden. Hierzu bietet sich eventuell vorab auch ein Gespräch mit den Wettbewerbsbehörden an.“

Um diese Verschiebung des Verkaufszeitraums zu unterstützen, würde die Ware für den kommenden Herbst/Winter nicht vor dem 1. August 2020 von der Industrie ausgeliefert werden. „Damit würde einerseits der Handel von frühzeitigen Wareneingängen für Herbst/Winter 2021 entlastet und die Zahlungsziele würden nach hinten geschoben. Andererseits würde es der Industrie helfen, Verspätungen in der Produktion, die durch Corona weltweit entstanden sind, wieder aufzuholen. Dies ist natürlich auf die jeweiligen Warengruppen abzustimmen.“

Branchenlösung für den Datenaustausch zwischen Industrie und Handel soll jetzt kommen

Um alle angestrebten Maßnahmen schnell umsetzen zu können, arbeite der HDS/L mit Hochdruck an der bereits seit längerem diskutierten Branchenlösung einer digitalen Datenplattform für den Datenaustausch zwischen Industrie und Handel. „Hier liegt der Fokus auf dem Begriff ’Branchenlösung‘, also einem gemeinsamen Format, das von allen Teilnehmern unterstützt wird und damit erhebliche Kosten- und Zeitersparnisse bringt, da nicht unendlich viele Individuallösungen teuer programmiert und betrieben werden müssen“, so Seibel.

Unsicherheit bleibt

Als größtes Problem der derzeitigen Situation betrachtet der HDS/L-Vorsitzende die Unsicherheit hinsichtlich der weiteren Entwicklungen: „Wir werden jeden Tag mit neuen Situationen und Krisen konfrontiert, wie z.B. diese Woche das Schutzschirmverfahren von Karstadt /Kaufhof. Der Warenhauskonzern ist ja ein wichtiger Kunde, vor allem für die vielen Hersteller von Kleinlederwaren, Taschen und Koffern. Auch hier wollen wir noch vor Ostern Informationen geben, was von Lieferantenseite in einem solchen Verfahren zu beachten ist.“

Er wünsche sich eine Lockerung der Maßnahmen und baldige Normalisierung der Situation, „damit unsere Industrie und der Handel wieder nach vorne schauen können. Damit wir endlich wieder über die Faszination des Produktes, über Mode und Qualität reden und diskutieren können. Abschließend möchte ich noch betonen, dass sich besonders in solchen Krisenzeiten zeigt, wie wichtig ein starker Verband ist. Anstelle von Einzelmeinungen kann er Meinungen bündeln und diese zielgenau an die Politik adressieren und durch Branchenkenntnis auch punktgenau beraten.“